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Das einzige, was mir fehlt, ist die Zufriedenheit mit der Arbeit – weltwärts Zwischenbericht 2

19/05/2011

In letzten Monaten ging es auf und ab – arbeitstechnisch und emotional.

Vom kältesten Winter auf dem Weg zur puren Hitze

Hanoi ist mir mittlerweile sehr vertraut geworden, so vertraut, dass ich es als meine Heimat wieder zuerkennen meine, wenn ich nach Kurztrips zurück in die Hauptstadt komme. Der Alltag in diesem Chaos ist Gewohnheit und es fällt mir leicht, genau die Dinge heraus zu picken, die zu meinem jeweiligen Befinden passen: egal ob Essen (für mich als Vegetarier inzwischen auch kein Problem mehr), kulturelle Veranstaltungen oder diverse Großstadtvorteile an den Abenden. Doch trotzdem ist und bleibt es auch ein Erlebnis für sich, in einer vietnamesischen Millionenstadt zu wohnen.

Ich habe auch das Gefühl, Vietnam, die Menschen, die Kultur, das Leben durch Reisen, Gespräche und Erlebnisse mehr verstehen zu können. Dennoch gibt es mindestens ein Mal am Tag eine Situation, bei der ich nur den Kopf schütteln kann. Beispielweise bei lautstark aufgedrehten Karaokemaschinen am Wochenendmorgen oder bei, … und und und.

Mittlerweile sind meine Sprachkenntnisse irgendwo auf einem Level angekommen, dass zum Überleben reicht, zu einem Gespräch aber auch zu wenig ist. Natürlich liegt das aber an den geringen Bemühungen meinerseits.

Eine der vielen Eigenheiten des Landes: das Wetter Nord Vietnams. Der Winter im Januar mit eigentlich anschaulichen 7° bis 14°C wurde zu der kältesten Erfahrung meines Lebens. Fern ab von isolierten Häusern oder Heizungen gab es auch kaum Möglichkeiten, sich aufzuwärmen. Für die Vietnames_innen war es noch kälter, gar zu kalt, um das Haus zu verlassen. Was letztendlich dazu führte, dass wir in der Schule Kältefrei hatten oder in den Stunden mit etwas Glück wenigstens 5 Schüler_innen pro Klasse bespaßigen konnten. Danach folgte die Regenzeit, von der kaum jemand weiß, wann sie anfängt oder wann sie aufhört. Für uns bedeutete das eine andauernde Feuchtigkeit und mehrere Tage lang durchgängig Regen. Nicht gerade das Beste für unser Haus. Der Schimmel kann sich perfekt entfalten, wir können ihn sehen, bei Bedarf streicheln und auch in unseren Hosen, Schuhen und Lungen finden.

Mittlerweile sind es jedoch konstant über 25°C und wir schwitzen wieder. Jetzt bei 30°C mit dem Fahrrad zu fahren grenzt an Selbstmord. So gab ich schweren Herzens den Pedalen eine Auszeit und teile mir nun mit Lisa zwei motorisierte Räder. Für mich ein neues und angenehmeres Fahrgefühl körperlich, geistig ein moralischer Rückschlag und für meine Umwelt eine weitere Belastung.

Neue Sichtweisen von außen

Ich versuchte mich in der Zwischenzeit auch als Reiseleiter für Onkel und Tante und meine Mutter, die mich besuchen kamen. Eine sehr spannende Erfahrung seine neue Heimat der Familie zu zeigen, ihnen das neue Lebensumfeld zu erklären und dadurch noch mal einen ganz neuen Blick auf Land und Leute zu bekommen. Die Hauptsorge der Familie: Wie überlebst du in diesem Verkehr? Alles sei zu laut, zu hektisch und natürlich atmet man unter der Smogglocke von Hanoi keine Frischluft. Doch das kannten wir ja bereits.

Viel spannender war es aufs Neue die Vielfältigkeit im Kleinen zu erkennen: Noch einmal mit offenen Augen durch die Straßen zu laufen, wieder fasziniert den Menschen in den Garküchen zusehen und die Stadt auch wieder neu mit ihren vielen unterschiedlichen Gerüchen entdecken. Alles Dinge, die bisher im Alltagsgeschehen untergegangen oder als ganz normal hingenommen wurden. Außerdem konnte ich so auch raus aus der Stadt und besuchte mit meiner Mutter ein zweites Mal SaPa (diesmal mit herrlicher Sonne) und die Ha Long Bucht.

Vor zwei Wochen, über den Maifeiertag, flüchteten Frank, Lisa und ich auch aus dem Großstadttreiben in den richtigen Dschungel. Wir gönnten uns Tage der Entspannung, Natur, des Sauerstoffs und Sonnenbrandes im Cuc Phuong National Park und auf Cat Ba Island. Die perfekte Mischung, um in die letzte Arbeitsetappe zu starten.

Frustrierendes Unterrichten und erfüllendes Theater

Ok, kommen wir nun zu den Punkten, um die es vielleicht wirklich geht oder die das Ganze nach meiner Meinung ja auch ausmachen sollten: Arbeit und Beschäftigungsverhältnis.

Mit neuer Hoffnung nach einem „runden Tisch“ im Rahmen des Zwischenseminars mit Vertreterinnen der .lkj) und dem VYCT sind wir in 2011 gestartet. Fünf Monate später hat sich grundlegend natürlich nichts verändert.

Was hat sich verbessert? Wir unterrichten seit gut einem Monat am VYCT Mitarbeiter_innen des Hotels zwei mal die Woche in Englisch. Damit setzten wir, ziemlich spät, ein Programm unserer Vorgänger_innen fort. Hier halten wir die Stunden abwechselnd zu zweit, gestalten sie frei und können uns dementsprechend auch ausreichend vorbereiten. Eigentlich genau so, wie wir uns die ganze Unterrichtsarbeit vor der Ausreise aus Deutschland vorgestellt hatten, nur halt mit Erwachsenen.

Was ist gleich geblieben? Die Stunden am Children’s Palace sind für mich persönlich immer noch ein sehr polarisierendes Erlebnis. Auf der einen Seite macht mir die Arbeit mit den Kindern den größten Spaß, unterrichten an sich gefällt mir sehr und strahlende Kinderaugen sind das Größte. Vietnamesiche Kinder (jedenfalls, die wir unterrichten dürfen) unterscheiden sich da kaum von deutschen: verspielt, laut, wechselhaft und einfach sehr individuell. Wenn ich in dieser Interaktion nicht jede Stunde positive Erfahrungen machen und einen Endorphinschub bekommen würde, sähe alles vielleicht anders aus.

Die andere Seite: keine Möglichkeit der Vorbereitung und ständig wechselnde Klassen. Seit acht Monaten die gleiche Leier. Selbstverständlich habe ich darin auch schon meinen eigenen Rhythmus gefunden, habe ein Methodenreportair und kann erfahrungsmäßig entsprechend auf Probleme im Unterricht reagieren. Veränderung in das Ganze kam Mitte Februar mit zwei neuen Freiwilligen aus Australien und Großbritannien. Fünf Freiwillige sind definitiv eine_r zu viel – eine Situation, die anfangs nicht nur uns, sondern auch die Lehrerinnen überforderte. Lösung: Frank, Lisa und ich unterrichten jetzt auch Samstags (am Morgen oder am Nachmittag) und auch teilweise in einem anderen Stock, dem „5th floor“. Dafür haben wir einen wechselnden Tag der Woche frei. Absprachen zwischen den Etagen innerhalb des Children’s Palace funktionieren wie erwartet nicht und eigentlich habe ich nicht das Gefühl wirklich im neuen Arbeitsumfeld gebraucht zu werden. Ganz offen und ehrlich habe ich auch einfach nicht die Kompetenz, Fünf- oder Sechsjährige zu unterrichten, wenn wir sprachlich keinen gemeinsamen Nenner haben, die Lehrerin alles auf Vietnamesisch übersetzt und ich von den Kindern nicht verstanden werde. Der einzige Lerneffekt für diese Altersgruppe ist, dass sie zu Hause berichten können, dass sie einen Westler gesehen haben. Natürlich unterscheiden sich unsere Unterrichtsmethoden von denen der vietnamesichen Lehrerinnen: wir halten weniger frontal, mehr in Interaktion durch Spiele, doch erkennt man nach einigen Monaten nun, bei welchen Altersgruppen unsere Arbeit auch sinnvoll ist.

Und was vor allem bei den jüngeren (4- bis 6 Jährigen) nicht funktioniert, zeigt bei den 7- bis 14-Jährigen doch beachtliche Erfolge. Wenn ich jetzt das Glück habe, in eine Klasse zu kommen, die ich schon über einen längeren Zeitraum kenne, sind wir super auf einander eingestimmt, kennen unsere gegenseitigen Erwartungen und Arbeitsweisen – und dann macht es nicht nur Spaß, sondern dann kann ich auch die gewünschten Fortschritte bei den Kindern sehen.

Eine wirklich effektive Arbeit konnte ich außerhalb des weltwärts Programmes an der Viet-Duc Highschool, der deutsch-vietnamesichen Oberschule von Hanoi, leisten. Dort begleitete ich seit Oktober eine deutsche Theatergruppe aus Schüler_innen der 10. und 11. Klasse, die unter der Anleitung von einem deutschen Lehrer und mir „Momo“ von Michael Ende einstudierten. Abgesehen davon, dass Theater eine Leidenschaft für mich ist, war die Arbeit mit den Jugendlichen beiderseitig eine sehr große Bereicherung. In den Monaten bis zur Aufführung im April konnte ich ihnen mit theaterpädagogischen Methoden nicht nur das Spiel als solches näher bringen, sondern merkte auch von Woche zu Woche, wie sie selbstbewusster, offener und mutiger im Umgang mit der Deutschen Sprache wurden. Für mich konnte ich viel methodisches und interkulturelles lernen und war einfach nur stolz auf die Schüler_innen und tief erfreut zu sehen, wie viel Leidenschaft sie entwickelten und wie sie die Proben auch reifen ließen.

Leider muss ich sagen, dass in dem Rahmen, der uns vom VYCT aus geboten wird, ein solches effektives und langfristiges Arbeiten nur schwer möglich ist.

Acht Monate weltwärts sind für mich…

…alles andere als ich erwartet hätte.

Generell kann ich sagen, dass ich mit meinem sozialen Umfeld, dem Leben in Hanoi und Vietnam als meine Landeswahl sehr zufrieden bin und die Entscheidung weltwärts gegangen zu sein keinesfalls bereue.

Doch sind meine Erwartungen an den entwicklungspolitischen Ansatz des Programms sehr enttäuscht wurden. Meine Motivation vor einem Jahr war es nicht, Kindern Englisch beizubringen, die dafür einen für Landesverhältnisse hohen Schulbeitrag zahlen müssen und dann auch noch auf so semi nützliche Weise. Von unserem Aufenthalt hier hat auch unsere direkte Partnerorganisation, das VYCT, nur sehr wenig, da wir an eine andere Schule vermittelt wurden. Leider haben wir im Austausch mit anderen weltwärts-Freiwilligen in Vietnam mitbekommen, dass es nur ganz wenige Projekte gibt, bei denen alles so wie angedacht läuft.

Für uns deutsche Freiwillige springt natürlich ein ganzes Jahr voller interkultureller Erfahrungen, einem großen Teil an eigenem Gestaltungsspielraum und dazu noch eine Teilfinanzierung des Aufenthalts heraus. Wer würde da schon „nein“ sagen?

One Comment leave one →
  1. Thu permalink
    19/05/2011 2:04 pm

    der Anfang deines Berichts war wie ein Kimi über Wetter 🙂 Ich muss an die Zeit denken, war echt so kalt und nass und gru gruuu…

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