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Es gibt viel zu tun, doch ich mache zu wenig – weltwärts Zwischenbericht 1

11/01/2011

Der nachfolgende Text ist mein erster Zwischenbericht für das weltwärts Programm und fasst meine bisherige Zeit in Vietnam zusammen.

Hanoi, 06.01.11

Mit dem heutigen Tag bin ich nun genau vier Monate weltwärts in Hanoi, Vietnam. Vier Monate, eine Zeit, die unglaublich schnell verging, ereignis- und erlebnisreich war und gekennzeichnet von Höhen und Tiefen.

Mitten im kleinen vietnamesischen Großstadtdschungel

Seit Anfang September lebe ich nun in der vietnamesischen Hauptstadt. Was mir in den ersten Tagen noch neu, aufregend und teilweise befremdend vor kam, gehörte innerhalb von wenigen Wochen zu meinem neuen Alltag. Ein Alltag im kleinen Großstadtdschungel von Hanoi: verstopfte Straßen (in denen ich mir mit meinem Fahrrad einen Weg erkämpfe), versmogte Luft, freundliche und hilfsbereite Menschen. Vom Verkehr bis zum Essen: anfangs alles neu, jetzt wie ein Teil von mir und ich höre mich selber schon beim Essen schmatzen, ganz vietnamesisch. Alles läuft etwas langsamer und verzögert ab, gleichzeitig aber mit viel Hektik und Gedränge. Doch nur selten sieht man ein Lächeln von den Lippen verschwinden oder bekommt die aus Deutschland gewohnte, chronische Unhöflichkeit zu spüren.
Unglaubliches Glück hatten wir, dass vorherige weltwärts Freiwillige uns frisch Angekommenen mit der Stadt und der Lebensweise bekannt machen konnten. So lernten wir schon zu Beginn viele unterschiedliche Orte in Hanoi kennen und konnten gleich erste wichtige Fragen los werden.
Auch unsere Organisation das VYCT, Vietnam Youth Center for Tourism, hat uns den Einstieg sehr erleichtert, indem wir einen Monat lang einen Vietnamesisch-Sprachkurs bekamen. Zwar leider auch nur semieffektiv, doch für den Markt und die Garküche reicht es. Zu großen Konversationen bin ich nicht fähig, was mich selber auch noch sehr ärgert.
Doch so schnell ich im neuen Alltag angekommen bin, desto schneller war ich von der Stadt gelangweilt und wollte Neues sehen. Um so besser, dass wir schon einen Wochenendtrip zu den Bergen des Nordens (nach SaPa) verwirklichen und unsere Weihnachts- und Neujahrsferien auf einer Reise durch Zentral- und Südvietnam verbringen konnten.

Was hat das nun gebracht? Sehr unterschiedliche Eindrücke vom Land und von den Leuten, einen spannenden Einblick in die Geschichte und die Natur – und die ernüchternde Einsicht, dass westlicher Einfluss und Tourismus nicht nur eine neue Chance für Vietnam sind.

Die 4-Raum Villa mit Ratten

Von den Erfahrungen unserer Vorgänger_innen ausgehend, rechnetet wir damit, nicht all zu bald in die eigenen vier Wände zu kommen. Doch überraschender Weise fanden wir uns schon in der zweiten Woche im Haus der vorherigen Freiwilligen wieder, dass wir seitdem unser Eigen nennen können.
Ein sehr komfortables Wohnen auf dem Grund einer hilfsbereiten vietnamesischen Familie mit viel Platz und Rückzugmöglichkeit im eigenem Zimmer. Im Laufe der Zeit haben wir uns auch mit unseren Mitbewohner_innen, den Ratten, Mäusen und Gekos arrangiert, haben gelernt mit den häufigen Ausfällen des fließenden Wassers zu leben und kämpfen gerade gegen fehlende Isolierung, Heizung und winterliche Kälte. Und auch wenn wir ca. 7 km außerhalb der Stadt wohnen, haben wir es in meinen Augen sehr gut getroffen mit diesem kleinen Palast. Ich bin auch sehr froh, dass wir als .lkj)-Freiwillige dort zusammen wohnen, weil wir uns sehr gut verstehen und so die Probleme besprechen und auch zu lösen versuchen.

Jubelnde Kinder in chaotischen Verhältnissen und eine Menge Theater

Und was sind das nun für Probleme? Hauptsächlich nur mit unserem Arbeitsverhältnis.
Wir unterrichten alle drei von Montag bis Freitags von 17.30 bis 21.00 Uhr im Children’s Palace, einer gebührenpflichtigen Nachmittagsschule. Hier geben wir in vier Perioden jede_r getrennt Englischunterricht für Kinder zwischen 4 und 13 Jahren. Eine Arbeit, die mir an sich sehr sehr viel Spaß macht.
Auch bei großen Veranstaltungen an der Schule sind wir mit eingebunden, sei es eine Performace für den Teacher’s Day oder für das Christmas-Programm.

Doch jetzt das große ABER. Denn eigentlich läuft es nicht so, wie wir uns das vorstellen oder wünschen. Am Children’s Palace unterstützen wir die Lehrerinnen, sprich wir bekommen erst bei unserer Ankunft in der Schule unseren Stundenplan für den Tag und dann im Unterricht von den Lehrkräften gesagt, was wir unterrichten sollen. Vorbereitung gleich null, weil wir auch ständig wechselnde Klassen haben. Wie effizient unsere Arbeit unter den Bedingungen sein kann, habe ich mich schon oft gefragt.
Und generell sind diese paar Stunden in der Woche viel zu wenig, um einen ausgefüllten Arbeitsalltag zu haben. Von unserer eigentlichen Organisation, dem VYCT wurden wir nur an die Schule vermittelt und sonst haben wir außer dem wöchentlichen Gespräch mit unserer Mentorin wenig mit der Organisation zu tun.
Es gibt viele Kommunikationsprobleme innerhalb des Children’s Palace und mit dem VYCT. Ich finde es sehr gut, dass wir wöchentlich ein Treffen mit unserer Mentorin haben, die auch sehr hilfsbereit ist und mit der wir uns sehr gut verstehen. Im Zusammenhang mit dem Zwischenseminar im Dezember 2010 haben wir uns mit dem VYCT und der .lkj) an einen Tisch gesetzt und über die Beschäftigungsverhältnisse gesprochen. Das hat mir viel neue Hoffnungen gegeben und ich bin zuversichtlich, dass wir in den folgenden Monaten mehr Projekte gestalten können und mehr in die Strukturen unserer Organisation eingebunden werden.

Da ich nicht ausgelastet bin und auch meine Leidenschaft für das Theater weiter ausleben will, habe ich mir außerhalb des weltwärts Programmes noch eine Beschäftigung gesucht: Einmal die Woche unterstütze ich die Theatergruppe an der deutsch-vietnamesichen Schule in Hanoi bei ihrer Erarbeitung eines deutschen Stückes. Die Arbeit dort ist eine neue Herausforderung für mich, die zusammen mit den Jugendlichen eine Menge Spaß macht.

Doch alles in allem ist mein jetziger Aufenthalt hier nicht das, was ich mir unter einem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst vorgestellt habe.

Wo lebe ich nun seit vier Monaten?

In einem Land, dass sich im Aufbruch in eine ungewisse Zukunft befindet – wo viel zu tun wäre, doch ich zu wenig mache und machen kann.
Wie sich dass in den nächsten acht Monaten noch entwickelt, bleibt spannend…

One Comment leave one →
  1. 13/02/2012 7:52 am

    Ein typischer weltwärts-Lebenslauf. Bei uns regierte auch das Chaos. Er jetzt, wo ich allein wieder in Ha Noi arbeite, ist alles wesentlich entspannter und man kann tatsächlich planen und effektiver Arbeiten.

    Meiner Meinung nach sind viele deutsche Entsendeorganisationen nicht kompetent genug, vor Ort Probleme zu lösen bzw. suchen sie die Freiwilligen nicht ordentlich aus, so daß viele einfach ein halbes oder ganzes Jahr bezahlten Urlaub in Asien machen.

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