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Mäuse fallen von der Decke und wir spielen (Be)Lehrende – über zwei Monate weltwärts in Vietnam

24/11/2010

Lange Zeit ist seit dem letzten Eintrag vergangen. Ich bin schon über zwei Monate weltwärts in Vietnam. Und es hat sich einiges bei uns getan. Die uns für wichtigste und entscheidendste Veränderung ist, dass wir seit einem Monat endlich arbeiten.

Von unserer Organisation, dem VYCT, wurden wir an das „Children’s Palace“ vermittelt, eine außerschulische Stätte des Lernens im Nachmittagsbereich. Naja, Nachmittag heißt hier von 17.30-21.00 Uhr, sieben Tage die Woche, dass sind zwei mal 45 Minuten pro Klasse, zwei Klassen pro Tag, sprich vier Unterrichtsperioden. Und in diesem Zeitraum versuchen wir montags bis freitags unser bestes den Kindern zwischen 4 und 13 Jahren Englisch beizubringen. Was nicht so ganz einfach ist, weil sie geschafft von dem Tag sind (wer wäre das nicht, wenn sie dank des Ganztagsschulsystem in Vietnam bis 17.00 Uhr in die Schule gehen) und wir mit ihnen nur in einer Sprache kommunizieren können, die wir ihnen erst beibringen sollen. Doch aus diesem Grund haben wir auch noch keine eigenen Klassen. Vielmehr unterstützen wir die Lehrerinnen am „Children’s Palace“ in ihrer Arbeit. Wir wechseln jede Periode die Klassen und haben so 20 unterschiedliche Klassen in der Woche vor uns sitzen. Aber Frank, Lisa und ich sind getrennt in den Klassen. Wenn dann ein „Westler“ zu Beginn der Stunde in den Raum kommt ist das „Hello“-Gekreische erst mal groß. Die Lehrerin zeigt mir die entsprechenden Seiten im Buch und los geht’s. Die Arbeit mit den Kindern macht mir eine Menge Spaß und ist jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung. Mal schwanke ich dabei zwischen Nervenzusammenbruch (eher mittwochs) und dem Bedürfnis auch gleich los zu springen (freitags). Doch am Ende bleibt immer die Frage: Können wir ihnen mit unserem auch nur gelernten Englisch wirklich helfen?

Doch da wir ja nun zu den Lehrer_innen in Vietnam zählen, durften, konnten, sollten wir auch am Vietnamese Teachers Day teilnehmen. Der eigentliche Tag war der 20.11.10, doch das „Children’s Palace“ zelebrierte sich schon am 17. November selbst. Bei der fast zweistündigen Veranstaltung zu Ehren der dortigen Lehrer_innen waren Tanz- und Gesangsbeiträge von Schüler_innen, Eltern und der Lehrerschaft zu sehen und Reden zu hören. Mittendrin: Wir, zusammen mit unseren Kolleginnen und der Ho Chi Minh Ballade. Lisa sang ein paar Strophen auf Englisch, Frank spielte Gitarre und ich durfte gegen Ende hin bei der Tanzperformance in vietnamesischer Uniform die Fahne schwenken. Eine große Ehre. Nicht unüblich für das Land, wie wir schon mitbekommen konnten, wurden vorher unzählige (Wochenend-)Proben eingeschoben, für insgesamt knappe 5 Minuten, mehr oder weniger gelungen. (Das Lied hier in englischer Version auf youtube.com)

Da die Vormittage für uns eher Freizeit sind, habe ich mir noch eine kleine Beschäftigung gesucht. Einmal die Woche unterstütze ich die Theatergruppe der Việt Đức High School (vietnamesisch-deutsche Schule). Die dortigen ca. 60 interessierten Schüler_innen wollen Michael Endes „Momo“ auf Deutsch spielen. Und ich helfe ihnen zusammen mit den zuständigen Lehrer_innen in das Theater spielen hinein zu finden und mit dem deutschen Text zurecht zu kommen. Leichter gedacht, als getan, denn drei Gruppen mit je 20 Leuten und mehr oder weniger guten Sprachkenntnissen im Alter von 15 bis 17 Jahren sind auch sehr…amüsant anstrengend. Doch ich bin sehr froh darüber, weil ich so wenigstens nicht ein Jahr lang auf Theater verzichten muss.

Da wir auch sonst hilfsbereit und freiwillig sozial engagiert sind, unterstützen wir am den Wochenendabenden ein paar Freunden von uns dabei, Englisch zu lernen. Tandenmäßig helfen sie uns auch, den mickrigen Vietnamesisch Wortschatz aufzubessern. Meine Sprachkenntnisse reichen zum bestellen und verstehen von kleinen Gesprächen, doch von einer Konversation bin ich noch weit entfernt.

Hanoi an sich ist immer noch schön spannend, schön geschäftig und zur Zeit vor allem schön versmogt. Der Regen lässt seit Wochen auf sich warten und über allem liegt eine dicke Staubschicht. Wirklich weit gucken kann man nicht, da der Smog wie ein feiner oder zeitweise auch dicker Nebel alles blockiert. Aber mit über 23°C im November sind wir hier weit von Schnee und Weihnachten entfernt.

Die so viel versprechende Jubiläumsfeier war auch viel Vorbereitung und wenig Resultat. Die Stadt war eine Woche lang besonders voll, besonders laut und bunt, doch so richtige Feierlaune kam nicht auf. Natürlich gab es Paraden und Feuerwerk, Tanzperformance und Konzerte. Die Leuten waren sehr fröhlich und heiter, doch eben nur das. Alles sehr gesittet und von der Polizei kontrolliert. Es gab in dieser Zeit mehr Bardurchsuchungen und Straßensperren und Einsatz von Elektroschocker gegen „ordnungswidrige“ Mopedfahrer_innen. Auch die Katastrophe mit den explodierten Feuerwerkskörpern im Vorfeld und den ungenauen Angaben über die Opfer, kamen dem nicht zu gute. Am Geburtstag der Stadt war kaum etwas zu spüren, alles wie immer. Schade eigentlich.

Doch an sich haben wir unsere jeweiligen Lieblingsorte in der Stadt zum cà phê sữa (Kaffee mit süßer Kondensmilch) oder trà chanh (Lemontea) trinken oder abends ausgehen gefunden. Sprich: alles in allem leben wir ganz gut.

Wir haben sogar Haustiere – wenn auch eher ungewollte. Die Mäuse und Ratten haben sich inzwischen in unserem Haus gezeigt, flitzen die Treppen und Wände hoch, fallen sie wieder runter, ertränken sich in der Toilette oder fallen vom Küchenschrank fast in die Pfanne. So leben wir mit ihnen unter einem Dach. Auch wenn wir ab und an kein Wasser haben und gestern auch keinen Strom, und das Haus ziemlich außerhalb liegt, ist es ein sehr schönes Wohnen mit netten Vermieter_innen.

Fazit nach über zwei Monaten: Es ist gefällt mir sehr, auch mit mehr oder weniger großen Schönheitsfehlern. Aber wo ist oder läuft denn schon alles perfekt?

 

PS: An alle, die sehnlichst auf Post warten: Es tut mir Leid, ich bin bisher zu schreibfaul gewesen und ich hoffe, ihr verzieht mir dies.
Und neue Bilder gibt es auch auf flickr zu sehen

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  1. Gundel Jahn permalink
    05/01/2011 2:05 pm

    Lieber Christian, auch ich verfolge nun ab und zu Deine Berichte und freue mich über Dein Engagement! Das ist schon toll, was Ihr da so ins Ausland tragt! Bleib gesund und unverzagt, Gundel Jahn!
    Falls Du an der Landtagswahl teilnehmen möchtest, sollte Deine Mutter rechtzeitig Deine Briefwahlunterlagen holen, denn die Post braucht aus Vietnam sicher eine Weile.
    PS: Du kannst mich nämlich wählen…
    Machs gut und lass uns weiter an Deinen Unternehmungen teilhaben, wird alles ans Schwarze Brett in der Schule gehängt….

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