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Und zack – Christian ist ein Jahr in Vietnam

26/09/2010

Xin chào,

zunächst einmal bin ich im wunderschönen Hanoi gut angekommen. Der „Kulturschock“ wird immer noch verarbeitet und jeden Tag etwas Neues entdeckt. Den weltwärts Vorschriften entsprechend erscheint auf „Michi vor Giraffenschild“ mindestens alle drei Monate ein Artikel über mein Jahr im entwicklungspolitischen Freiwilligendienst hier in Vietnam. Was ich dank der Entsendeorganisation Landesvereinigung kulturelle Kinder-und Jugendbildung Sachsen-Anhalt e.V. (.lkj)) und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erlebe und mit welchen zunächst fremdartigen Dingen ich nun im Alltag zu tun habe, könnte ihr hier lesen.

Das einzige, was mir fehlt, ist die Zufriedenheit mit der Arbeit – weltwärts Zwischenbericht 2

19/05/2011

In letzten Monaten ging es auf und ab – arbeitstechnisch und emotional.

Vom kältesten Winter auf dem Weg zur puren Hitze

Hanoi ist mir mittlerweile sehr vertraut geworden, so vertraut, dass ich es als meine Heimat wieder zuerkennen meine, wenn ich nach Kurztrips zurück in die Hauptstadt komme. Der Alltag in diesem Chaos ist Gewohnheit und es fällt mir leicht, genau die Dinge heraus zu picken, die zu meinem jeweiligen Befinden passen: egal ob Essen (für mich als Vegetarier inzwischen auch kein Problem mehr), kulturelle Veranstaltungen oder diverse Großstadtvorteile an den Abenden. Doch trotzdem ist und bleibt es auch ein Erlebnis für sich, in einer vietnamesischen Millionenstadt zu wohnen.

Ich habe auch das Gefühl, Vietnam, die Menschen, die Kultur, das Leben durch Reisen, Gespräche und Erlebnisse mehr verstehen zu können. Dennoch gibt es mindestens ein Mal am Tag eine Situation, bei der ich nur den Kopf schütteln kann. Beispielweise bei lautstark aufgedrehten Karaokemaschinen am Wochenendmorgen oder bei, … und und und.

Mittlerweile sind meine Sprachkenntnisse irgendwo auf einem Level angekommen, dass zum Überleben reicht, zu einem Gespräch aber auch zu wenig ist. Natürlich liegt das aber an den geringen Bemühungen meinerseits.

Eine der vielen Eigenheiten des Landes: das Wetter Nord Vietnams. Der Winter im Januar mit eigentlich anschaulichen 7° bis 14°C wurde zu der kältesten Erfahrung meines Lebens. Fern ab von isolierten Häusern oder Heizungen gab es auch kaum Möglichkeiten, sich aufzuwärmen. Für die Vietnames_innen war es noch kälter, gar zu kalt, um das Haus zu verlassen. Was letztendlich dazu führte, dass wir in der Schule Kältefrei hatten oder in den Stunden mit etwas Glück wenigstens 5 Schüler_innen pro Klasse bespaßigen konnten. Danach folgte die Regenzeit, von der kaum jemand weiß, wann sie anfängt oder wann sie aufhört. Für uns bedeutete das eine andauernde Feuchtigkeit und mehrere Tage lang durchgängig Regen. Nicht gerade das Beste für unser Haus. Der Schimmel kann sich perfekt entfalten, wir können ihn sehen, bei Bedarf streicheln und auch in unseren Hosen, Schuhen und Lungen finden.

Mittlerweile sind es jedoch konstant über 25°C und wir schwitzen wieder. Jetzt bei 30°C mit dem Fahrrad zu fahren grenzt an Selbstmord. So gab ich schweren Herzens den Pedalen eine Auszeit und teile mir nun mit Lisa zwei motorisierte Räder. Für mich ein neues und angenehmeres Fahrgefühl körperlich, geistig ein moralischer Rückschlag und für meine Umwelt eine weitere Belastung.

Neue Sichtweisen von außen

Ich versuchte mich in der Zwischenzeit auch als Reiseleiter für Onkel und Tante und meine Mutter, die mich besuchen kamen. Eine sehr spannende Erfahrung seine neue Heimat der Familie zu zeigen, ihnen das neue Lebensumfeld zu erklären und dadurch noch mal einen ganz neuen Blick auf Land und Leute zu bekommen. Die Hauptsorge der Familie: Wie überlebst du in diesem Verkehr? Alles sei zu laut, zu hektisch und natürlich atmet man unter der Smogglocke von Hanoi keine Frischluft. Doch das kannten wir ja bereits.

Viel spannender war es aufs Neue die Vielfältigkeit im Kleinen zu erkennen: Noch einmal mit offenen Augen durch die Straßen zu laufen, wieder fasziniert den Menschen in den Garküchen zusehen und die Stadt auch wieder neu mit ihren vielen unterschiedlichen Gerüchen entdecken. Alles Dinge, die bisher im Alltagsgeschehen untergegangen oder als ganz normal hingenommen wurden. Außerdem konnte ich so auch raus aus der Stadt und besuchte mit meiner Mutter ein zweites Mal SaPa (diesmal mit herrlicher Sonne) und die Ha Long Bucht.

Vor zwei Wochen, über den Maifeiertag, flüchteten Frank, Lisa und ich auch aus dem Großstadttreiben in den richtigen Dschungel. Wir gönnten uns Tage der Entspannung, Natur, des Sauerstoffs und Sonnenbrandes im Cuc Phuong National Park und auf Cat Ba Island. Die perfekte Mischung, um in die letzte Arbeitsetappe zu starten.

Frustrierendes Unterrichten und erfüllendes Theater

Ok, kommen wir nun zu den Punkten, um die es vielleicht wirklich geht oder die das Ganze nach meiner Meinung ja auch ausmachen sollten: Arbeit und Beschäftigungsverhältnis.

Mit neuer Hoffnung nach einem „runden Tisch“ im Rahmen des Zwischenseminars mit Vertreterinnen der .lkj) und dem VYCT sind wir in 2011 gestartet. Fünf Monate später hat sich grundlegend natürlich nichts verändert.

Was hat sich verbessert? Wir unterrichten seit gut einem Monat am VYCT Mitarbeiter_innen des Hotels zwei mal die Woche in Englisch. Damit setzten wir, ziemlich spät, ein Programm unserer Vorgänger_innen fort. Hier halten wir die Stunden abwechselnd zu zweit, gestalten sie frei und können uns dementsprechend auch ausreichend vorbereiten. Eigentlich genau so, wie wir uns die ganze Unterrichtsarbeit vor der Ausreise aus Deutschland vorgestellt hatten, nur halt mit Erwachsenen.

Was ist gleich geblieben? Die Stunden am Children’s Palace sind für mich persönlich immer noch ein sehr polarisierendes Erlebnis. Auf der einen Seite macht mir die Arbeit mit den Kindern den größten Spaß, unterrichten an sich gefällt mir sehr und strahlende Kinderaugen sind das Größte. Vietnamesiche Kinder (jedenfalls, die wir unterrichten dürfen) unterscheiden sich da kaum von deutschen: verspielt, laut, wechselhaft und einfach sehr individuell. Wenn ich in dieser Interaktion nicht jede Stunde positive Erfahrungen machen und einen Endorphinschub bekommen würde, sähe alles vielleicht anders aus.

Die andere Seite: keine Möglichkeit der Vorbereitung und ständig wechselnde Klassen. Seit acht Monaten die gleiche Leier. Selbstverständlich habe ich darin auch schon meinen eigenen Rhythmus gefunden, habe ein Methodenreportair und kann erfahrungsmäßig entsprechend auf Probleme im Unterricht reagieren. Veränderung in das Ganze kam Mitte Februar mit zwei neuen Freiwilligen aus Australien und Großbritannien. Fünf Freiwillige sind definitiv eine_r zu viel – eine Situation, die anfangs nicht nur uns, sondern auch die Lehrerinnen überforderte. Lösung: Frank, Lisa und ich unterrichten jetzt auch Samstags (am Morgen oder am Nachmittag) und auch teilweise in einem anderen Stock, dem „5th floor“. Dafür haben wir einen wechselnden Tag der Woche frei. Absprachen zwischen den Etagen innerhalb des Children’s Palace funktionieren wie erwartet nicht und eigentlich habe ich nicht das Gefühl wirklich im neuen Arbeitsumfeld gebraucht zu werden. Ganz offen und ehrlich habe ich auch einfach nicht die Kompetenz, Fünf- oder Sechsjährige zu unterrichten, wenn wir sprachlich keinen gemeinsamen Nenner haben, die Lehrerin alles auf Vietnamesisch übersetzt und ich von den Kindern nicht verstanden werde. Der einzige Lerneffekt für diese Altersgruppe ist, dass sie zu Hause berichten können, dass sie einen Westler gesehen haben. Natürlich unterscheiden sich unsere Unterrichtsmethoden von denen der vietnamesichen Lehrerinnen: wir halten weniger frontal, mehr in Interaktion durch Spiele, doch erkennt man nach einigen Monaten nun, bei welchen Altersgruppen unsere Arbeit auch sinnvoll ist.

Und was vor allem bei den jüngeren (4- bis 6 Jährigen) nicht funktioniert, zeigt bei den 7- bis 14-Jährigen doch beachtliche Erfolge. Wenn ich jetzt das Glück habe, in eine Klasse zu kommen, die ich schon über einen längeren Zeitraum kenne, sind wir super auf einander eingestimmt, kennen unsere gegenseitigen Erwartungen und Arbeitsweisen – und dann macht es nicht nur Spaß, sondern dann kann ich auch die gewünschten Fortschritte bei den Kindern sehen.

Eine wirklich effektive Arbeit konnte ich außerhalb des weltwärts Programmes an der Viet-Duc Highschool, der deutsch-vietnamesichen Oberschule von Hanoi, leisten. Dort begleitete ich seit Oktober eine deutsche Theatergruppe aus Schüler_innen der 10. und 11. Klasse, die unter der Anleitung von einem deutschen Lehrer und mir „Momo“ von Michael Ende einstudierten. Abgesehen davon, dass Theater eine Leidenschaft für mich ist, war die Arbeit mit den Jugendlichen beiderseitig eine sehr große Bereicherung. In den Monaten bis zur Aufführung im April konnte ich ihnen mit theaterpädagogischen Methoden nicht nur das Spiel als solches näher bringen, sondern merkte auch von Woche zu Woche, wie sie selbstbewusster, offener und mutiger im Umgang mit der Deutschen Sprache wurden. Für mich konnte ich viel methodisches und interkulturelles lernen und war einfach nur stolz auf die Schüler_innen und tief erfreut zu sehen, wie viel Leidenschaft sie entwickelten und wie sie die Proben auch reifen ließen.

Leider muss ich sagen, dass in dem Rahmen, der uns vom VYCT aus geboten wird, ein solches effektives und langfristiges Arbeiten nur schwer möglich ist.

Acht Monate weltwärts sind für mich…

…alles andere als ich erwartet hätte.

Generell kann ich sagen, dass ich mit meinem sozialen Umfeld, dem Leben in Hanoi und Vietnam als meine Landeswahl sehr zufrieden bin und die Entscheidung weltwärts gegangen zu sein keinesfalls bereue.

Doch sind meine Erwartungen an den entwicklungspolitischen Ansatz des Programms sehr enttäuscht wurden. Meine Motivation vor einem Jahr war es nicht, Kindern Englisch beizubringen, die dafür einen für Landesverhältnisse hohen Schulbeitrag zahlen müssen und dann auch noch auf so semi nützliche Weise. Von unserem Aufenthalt hier hat auch unsere direkte Partnerorganisation, das VYCT, nur sehr wenig, da wir an eine andere Schule vermittelt wurden. Leider haben wir im Austausch mit anderen weltwärts-Freiwilligen in Vietnam mitbekommen, dass es nur ganz wenige Projekte gibt, bei denen alles so wie angedacht läuft.

Für uns deutsche Freiwillige springt natürlich ein ganzes Jahr voller interkultureller Erfahrungen, einem großen Teil an eigenem Gestaltungsspielraum und dazu noch eine Teilfinanzierung des Aufenthalts heraus. Wer würde da schon „nein“ sagen?

Es gibt viel zu tun, doch ich mache zu wenig – weltwärts Zwischenbericht 1

11/01/2011

Der nachfolgende Text ist mein erster Zwischenbericht für das weltwärts Programm und fasst meine bisherige Zeit in Vietnam zusammen.

Hanoi, 06.01.11

Mit dem heutigen Tag bin ich nun genau vier Monate weltwärts in Hanoi, Vietnam. Vier Monate, eine Zeit, die unglaublich schnell verging, ereignis- und erlebnisreich war und gekennzeichnet von Höhen und Tiefen.

Mitten im kleinen vietnamesischen Großstadtdschungel

Seit Anfang September lebe ich nun in der vietnamesischen Hauptstadt. Was mir in den ersten Tagen noch neu, aufregend und teilweise befremdend vor kam, gehörte innerhalb von wenigen Wochen zu meinem neuen Alltag. Ein Alltag im kleinen Großstadtdschungel von Hanoi: verstopfte Straßen (in denen ich mir mit meinem Fahrrad einen Weg erkämpfe), versmogte Luft, freundliche und hilfsbereite Menschen. Vom Verkehr bis zum Essen: anfangs alles neu, jetzt wie ein Teil von mir und ich höre mich selber schon beim Essen schmatzen, ganz vietnamesisch. Alles läuft etwas langsamer und verzögert ab, gleichzeitig aber mit viel Hektik und Gedränge. Doch nur selten sieht man ein Lächeln von den Lippen verschwinden oder bekommt die aus Deutschland gewohnte, chronische Unhöflichkeit zu spüren.
Unglaubliches Glück hatten wir, dass vorherige weltwärts Freiwillige uns frisch Angekommenen mit der Stadt und der Lebensweise bekannt machen konnten. So lernten wir schon zu Beginn viele unterschiedliche Orte in Hanoi kennen und konnten gleich erste wichtige Fragen los werden.
Auch unsere Organisation das VYCT, Vietnam Youth Center for Tourism, hat uns den Einstieg sehr erleichtert, indem wir einen Monat lang einen Vietnamesisch-Sprachkurs bekamen. Zwar leider auch nur semieffektiv, doch für den Markt und die Garküche reicht es. Zu großen Konversationen bin ich nicht fähig, was mich selber auch noch sehr ärgert.
Doch so schnell ich im neuen Alltag angekommen bin, desto schneller war ich von der Stadt gelangweilt und wollte Neues sehen. Um so besser, dass wir schon einen Wochenendtrip zu den Bergen des Nordens (nach SaPa) verwirklichen und unsere Weihnachts- und Neujahrsferien auf einer Reise durch Zentral- und Südvietnam verbringen konnten.

Was hat das nun gebracht? Sehr unterschiedliche Eindrücke vom Land und von den Leuten, einen spannenden Einblick in die Geschichte und die Natur – und die ernüchternde Einsicht, dass westlicher Einfluss und Tourismus nicht nur eine neue Chance für Vietnam sind.

Die 4-Raum Villa mit Ratten

Von den Erfahrungen unserer Vorgänger_innen ausgehend, rechnetet wir damit, nicht all zu bald in die eigenen vier Wände zu kommen. Doch überraschender Weise fanden wir uns schon in der zweiten Woche im Haus der vorherigen Freiwilligen wieder, dass wir seitdem unser Eigen nennen können.
Ein sehr komfortables Wohnen auf dem Grund einer hilfsbereiten vietnamesischen Familie mit viel Platz und Rückzugmöglichkeit im eigenem Zimmer. Im Laufe der Zeit haben wir uns auch mit unseren Mitbewohner_innen, den Ratten, Mäusen und Gekos arrangiert, haben gelernt mit den häufigen Ausfällen des fließenden Wassers zu leben und kämpfen gerade gegen fehlende Isolierung, Heizung und winterliche Kälte. Und auch wenn wir ca. 7 km außerhalb der Stadt wohnen, haben wir es in meinen Augen sehr gut getroffen mit diesem kleinen Palast. Ich bin auch sehr froh, dass wir als .lkj)-Freiwillige dort zusammen wohnen, weil wir uns sehr gut verstehen und so die Probleme besprechen und auch zu lösen versuchen.

Jubelnde Kinder in chaotischen Verhältnissen und eine Menge Theater

Und was sind das nun für Probleme? Hauptsächlich nur mit unserem Arbeitsverhältnis.
Wir unterrichten alle drei von Montag bis Freitags von 17.30 bis 21.00 Uhr im Children’s Palace, einer gebührenpflichtigen Nachmittagsschule. Hier geben wir in vier Perioden jede_r getrennt Englischunterricht für Kinder zwischen 4 und 13 Jahren. Eine Arbeit, die mir an sich sehr sehr viel Spaß macht.
Auch bei großen Veranstaltungen an der Schule sind wir mit eingebunden, sei es eine Performace für den Teacher’s Day oder für das Christmas-Programm.

Doch jetzt das große ABER. Denn eigentlich läuft es nicht so, wie wir uns das vorstellen oder wünschen. Am Children’s Palace unterstützen wir die Lehrerinnen, sprich wir bekommen erst bei unserer Ankunft in der Schule unseren Stundenplan für den Tag und dann im Unterricht von den Lehrkräften gesagt, was wir unterrichten sollen. Vorbereitung gleich null, weil wir auch ständig wechselnde Klassen haben. Wie effizient unsere Arbeit unter den Bedingungen sein kann, habe ich mich schon oft gefragt.
Und generell sind diese paar Stunden in der Woche viel zu wenig, um einen ausgefüllten Arbeitsalltag zu haben. Von unserer eigentlichen Organisation, dem VYCT wurden wir nur an die Schule vermittelt und sonst haben wir außer dem wöchentlichen Gespräch mit unserer Mentorin wenig mit der Organisation zu tun.
Es gibt viele Kommunikationsprobleme innerhalb des Children’s Palace und mit dem VYCT. Ich finde es sehr gut, dass wir wöchentlich ein Treffen mit unserer Mentorin haben, die auch sehr hilfsbereit ist und mit der wir uns sehr gut verstehen. Im Zusammenhang mit dem Zwischenseminar im Dezember 2010 haben wir uns mit dem VYCT und der .lkj) an einen Tisch gesetzt und über die Beschäftigungsverhältnisse gesprochen. Das hat mir viel neue Hoffnungen gegeben und ich bin zuversichtlich, dass wir in den folgenden Monaten mehr Projekte gestalten können und mehr in die Strukturen unserer Organisation eingebunden werden.

Da ich nicht ausgelastet bin und auch meine Leidenschaft für das Theater weiter ausleben will, habe ich mir außerhalb des weltwärts Programmes noch eine Beschäftigung gesucht: Einmal die Woche unterstütze ich die Theatergruppe an der deutsch-vietnamesichen Schule in Hanoi bei ihrer Erarbeitung eines deutschen Stückes. Die Arbeit dort ist eine neue Herausforderung für mich, die zusammen mit den Jugendlichen eine Menge Spaß macht.

Doch alles in allem ist mein jetziger Aufenthalt hier nicht das, was ich mir unter einem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst vorgestellt habe.

Wo lebe ich nun seit vier Monaten?

In einem Land, dass sich im Aufbruch in eine ungewisse Zukunft befindet – wo viel zu tun wäre, doch ich zu wenig mache und machen kann.
Wie sich dass in den nächsten acht Monaten noch entwickelt, bleibt spannend…

Rückschläge, neue Hoffnungen und Selbstreflexion im weltwärts Theater – Vorweihnachten in Vietnam

14/12/2010

Ereignisreiche Wochen liegen hinter mir – mit neuen Eindrücken von Vietnam und mir selbst.

SaPa

Wir haben unsere erste Reise angetreten. Am 26.11.2010 packten wir unsere Rucksäcke für ein Wochenende SaPa. Die Berge im Norden Vietnams sind die höchsten Erhebungen des Landes und wir wollten nun endlich Reisfelder und Natur sehen, frische Luft atmen und raus aus der Stadt kommen. Der Plan: Zusammen mit zwei Freundinnen nehmen wir Freitagabend den Nachtzug nach SaPa, kommen Samstag im Morgengrauen an und haben 2 Tage voll Wandern und Natur.

Die ersten Probleme gab es schon am Bahnhof in Hanoi. Wer konnte wissen, dass er zwei Eingänge hat, wir das zu spät mitbekommen und die Züge in Vietnam pünktlicher sind als in Deutschland? Doch wir lassen uns das lang ersehnte Wochenende nicht von solch Kleinigkeiten zerstören und nehmen einen späteren Zug. So fanden wir uns endlich um 21.50 Uhr in einem 6er-Schlafabteil wieder. Mit zu kurzen, aber doch überraschend bequemen Betten und vietnamesischen Mitfahrenden, die ganz begeistert von unserer Falsche Vodka waren, hatten wir eine sehr lustige und wackelnde Zugfahrt.

Um 6 Uhr kamen wir bei Nieselregen in Lào Cai an, der nächst größeren Stadt kurz vor der chinesischen Grenze. Der Regen allein war schon etwas besonderes für uns, da Hanoi unter einer Smogwolke vor sich hin dürstete. Mit dem Bus ging es eine Stunde die Bergstraßen nach SaPa. Doch wie sieht es dort aus? Das kann ich leider nicht beschreiben, weil wir die folgenden 2 Tage im dicken Nebel verbrachten. Feuchtigkeit, frieren und 10 Meter Sicht waren angesagt. Dennoch machten wir das beste daraus, mieteten uns Mopeds und versuchten so die Gegend zu erkunden, besuchten den Liebesmarkt in SaPa und genossen westliches Essen in den Restaurants.

Denn das ist der große Nachteil an diesem für uns unsichtbaren idyllischen Naturort: Tourismus. Auf der einen Seite genießen Westler_innen ihre Klischeevorstellung von Vietnam und auf der anderen Seite retten sie damit die arme Landbevölkerung. Doch zu welchem Preis?

Bestimmt ist es nicht gedacht, dass die ethnische Gruppe ihre eigene Tradition für Ausländer_innen mit vollen Geldbeuteln prostituiert, damit diese eine Illusion von alten Lebensweisen bekommt. Mit trauriger Miene konnte ich nur den Kopf schütteln über die Touristen, die voller Freude Kaffeefahrten zu den Dörfern der Minderheiten mitmachen und glauben, dass das Gesehene das wahre Leben ist.

Vorweihnachtszeit in Hanoi

Am frühen Montagmorgen kamen wir wieder in Hanoi an, in angenehmer Wärme und unangenehmen Smog. Doch in diese Woche startete ich mit vollem Elan und neuer Motivation, was auch meinen Schüler_innen deutlich gut tat. Der Nachteil hier: neuer Stundenplan, die Hälfte neue Klassen und keiner weiß warum. Ein deutlicher Rückschritt für uns, da wir seit Ewigkeiten darum kämpfen, eigene Klassen zu bekommen oder wenigstens kontinuierlich die gleichen unterrichten zu dürfen.

Ein neues Highlight am Children’s Palace war der English Singing Contest der städtischen Grundschulen. So konnten wir am Sonntag den 05.12. von 9.00 – 18.00 Uhr kleinen Kindern in knall bunten Kostümen mit einem „dezenten Hauch“ von Gitzer lauschen, wie sie „We are the world“ oder „Heal the world“ interpretierten. Eine ganz neue Erfahrung, wenn teilweise 50 Schüler_innen eine bildgewaltige Bühnenshow bieten, oder Mädchen Kleider tragen, die verboten kurz sind, während ein deutscher Wettbewerb dieser Art viel gemäßigter und schüchterner ablaufen würde.

Noch eines hatte sich in der Stadt verändert: die kitschige westliche Vorweihnachtszeit findet allmählich auch ihren Raum in einem Kulturkreis, in dem nur 8% der Bevölkerung christlich sind. Doch da in Vietnam eh alles viel offener mit der religiösen Zugehörigkeit ist, wird das auch mit Freuden aufgenommen. Überall kann man jetzt leuchtende Weihnachtsbäume, Watteschneemänner und Lametta finden. Doch es stört einfach keinen, je kitschiger desto besser – eine Klischeevorstellung vom Westen, die vielleicht annähernd zutreffen mag.

Bei unseren Wochenendnachilfeschülerinnen kamen die aus Deutschland mitgebrachten Zimtsterne jeden falls gut an. Auch wenn für sie die ganzen Feiertage im Dezember und der Ursprung von Weihnachten & Co. relativ schwer zu fassen sind.

Für mich ist jegliches Weihnachtsfeeling in Deutschland geblieben und findet nur Beachtung durch die zusätzlichen Ferien, die dieses Fest uns Westler_innen beschert. Meine Reiselust ist entfacht und unser Trip in den warmen Süden des Landes über die Feiertage bis Neujahr steht.

Deutsch-laotischer Besuch und weltwärts-Zwischenseminar

Ein wichtiger Besuch für die Arbeit hier war der Auftritt von Frau Karin Schüler, Leiterin des weltwärts-Projektes, im 1. Akt der Selbstreflexions-Woche am Nikolaustag. Wir wurden nach unserer Arbeit gefragt, unsere Organisation hier nach dem Nutzen, den sie durch uns hat und allgemein ob alles nach den Vorstellungen des BMZ läuft. Die Antworten waren wohl eher nicht so befriedigend, denn ob 3 ½ Stunden Englischunterricht in einer Schule, die nichts mit dem VYCT zu tun hat und unsere selbst gesuchten Beschäftigen auch fern ab vom VYCT ganz den weltwärts-Gedanken entsprechen, bleibt fraglich. Abgang Frau Schüler und Auftritt der wohl bekannten Selbstzweifel.

Nach den weltwärts-Bestimmungen gibt es für alle Freiwilligen ein Zwischenseminar während ihres Auslandsaufenthaltes, um den Kulturschock, die Arbeit und das neue Leben zu reflektieren. Unseres fand letzte Woche vom 08.12.-13.12. im Zusammenhang mit dem deutsch-vietnamesichen Musicalprojekt der .lkj) und des VYCTs statt. (aktuelle Informationen dazu unter http://vietnammusicalproject.wordpress.com/). Im Koffer des Projektes: alte und vermisste Freunde für mich, deutsche Schokolade und Käse für alle!

Für das Zwischenseminar bekam unsere 3er-WG kurzzeitig Zuwachs von den zwei lkj)-weltwärts Freiwilligen aus Laos. Eine kleine Herausforderung für uns, unsere neue Heimatstadt in kurzer Zeit effektiv zu präsentieren und ein großer Schock für die beiden, die im Nachbarland im Dorfleben integriert sind. (Tolle Berichte dazu findet ihr unter http://laosgeorge.wordpress.com/). Der spannende Erfahrungsaustausch mit den beiden über drei Monate im entwicklungspolitischen Freiwilligendienst wurde zum 2. Akt. Selbstzweifel werden von der allmächtigen Frage nach dem Sinn und der Effektivität der aktuellen Arbeitsverhältnisse überschattet.

Gemeinsam mit dem Musicalprojekt ging es dann am 10.12. auf nach Do Son, einem kleinen Örtchen drei Stunden Fahrt von Hanoi am Südchinesichen Meer. Auch wenn das Wetter in nord-vietnamesischen Winter nicht nach Baden war, begeisterte mich hier dennoch das mehr oder weniger dreckige Meerwasser mit dem mehr oder weniger salzigen Geruch und der frischen Luft.

Vor dieser Kulisse dann der 3. Akt: Der Kulturschock ist (soweit er spürbar war) bewältigt, das Einleben erfolgt und auch im sozialen Bereich ist alles zufrieden stellend. Dahingehend ist das Gebiet „Arbeit“ mit all den kulturell bedingten Tücken nicht erfreulich und bedarf Nachbereitung und Aufbesserung.

Ankunft zu Hause und Ausblick

4. Akt: Sonntag Abend dann die Rückkehr nach Hanoi, nach Hause wie es sich jetzt schon anfühlt. Die Gedanken immer noch bei den Problemen und möglichen Lösungsansätzen, bei einer neuen Arbeitswoche, die von der baldigen Weihnachtsaufführung am Children’s Palace bestimmt ist und unseren Reiseplänen für die Feiertage.

Wie alles nun ausgehen mag, ist offen und der 5. Akt wartet noch auf seine Aufführungsberechtigung. Ich kann also wieder mit dem Spruch enden, der schon zum Motto für mein Jahr hier wurde: Es bleibt spannend…

Mäuse fallen von der Decke und wir spielen (Be)Lehrende – über zwei Monate weltwärts in Vietnam

24/11/2010

Lange Zeit ist seit dem letzten Eintrag vergangen. Ich bin schon über zwei Monate weltwärts in Vietnam. Und es hat sich einiges bei uns getan. Die uns für wichtigste und entscheidendste Veränderung ist, dass wir seit einem Monat endlich arbeiten.

Von unserer Organisation, dem VYCT, wurden wir an das „Children’s Palace“ vermittelt, eine außerschulische Stätte des Lernens im Nachmittagsbereich. Naja, Nachmittag heißt hier von 17.30-21.00 Uhr, sieben Tage die Woche, dass sind zwei mal 45 Minuten pro Klasse, zwei Klassen pro Tag, sprich vier Unterrichtsperioden. Und in diesem Zeitraum versuchen wir montags bis freitags unser bestes den Kindern zwischen 4 und 13 Jahren Englisch beizubringen. Was nicht so ganz einfach ist, weil sie geschafft von dem Tag sind (wer wäre das nicht, wenn sie dank des Ganztagsschulsystem in Vietnam bis 17.00 Uhr in die Schule gehen) und wir mit ihnen nur in einer Sprache kommunizieren können, die wir ihnen erst beibringen sollen. Doch aus diesem Grund haben wir auch noch keine eigenen Klassen. Vielmehr unterstützen wir die Lehrerinnen am „Children’s Palace“ in ihrer Arbeit. Wir wechseln jede Periode die Klassen und haben so 20 unterschiedliche Klassen in der Woche vor uns sitzen. Aber Frank, Lisa und ich sind getrennt in den Klassen. Wenn dann ein „Westler“ zu Beginn der Stunde in den Raum kommt ist das „Hello“-Gekreische erst mal groß. Die Lehrerin zeigt mir die entsprechenden Seiten im Buch und los geht’s. Die Arbeit mit den Kindern macht mir eine Menge Spaß und ist jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung. Mal schwanke ich dabei zwischen Nervenzusammenbruch (eher mittwochs) und dem Bedürfnis auch gleich los zu springen (freitags). Doch am Ende bleibt immer die Frage: Können wir ihnen mit unserem auch nur gelernten Englisch wirklich helfen?

Doch da wir ja nun zu den Lehrer_innen in Vietnam zählen, durften, konnten, sollten wir auch am Vietnamese Teachers Day teilnehmen. Der eigentliche Tag war der 20.11.10, doch das „Children’s Palace“ zelebrierte sich schon am 17. November selbst. Bei der fast zweistündigen Veranstaltung zu Ehren der dortigen Lehrer_innen waren Tanz- und Gesangsbeiträge von Schüler_innen, Eltern und der Lehrerschaft zu sehen und Reden zu hören. Mittendrin: Wir, zusammen mit unseren Kolleginnen und der Ho Chi Minh Ballade. Lisa sang ein paar Strophen auf Englisch, Frank spielte Gitarre und ich durfte gegen Ende hin bei der Tanzperformance in vietnamesischer Uniform die Fahne schwenken. Eine große Ehre. Nicht unüblich für das Land, wie wir schon mitbekommen konnten, wurden vorher unzählige (Wochenend-)Proben eingeschoben, für insgesamt knappe 5 Minuten, mehr oder weniger gelungen. (Das Lied hier in englischer Version auf youtube.com)

Da die Vormittage für uns eher Freizeit sind, habe ich mir noch eine kleine Beschäftigung gesucht. Einmal die Woche unterstütze ich die Theatergruppe der Việt Đức High School (vietnamesisch-deutsche Schule). Die dortigen ca. 60 interessierten Schüler_innen wollen Michael Endes „Momo“ auf Deutsch spielen. Und ich helfe ihnen zusammen mit den zuständigen Lehrer_innen in das Theater spielen hinein zu finden und mit dem deutschen Text zurecht zu kommen. Leichter gedacht, als getan, denn drei Gruppen mit je 20 Leuten und mehr oder weniger guten Sprachkenntnissen im Alter von 15 bis 17 Jahren sind auch sehr…amüsant anstrengend. Doch ich bin sehr froh darüber, weil ich so wenigstens nicht ein Jahr lang auf Theater verzichten muss.

Da wir auch sonst hilfsbereit und freiwillig sozial engagiert sind, unterstützen wir am den Wochenendabenden ein paar Freunden von uns dabei, Englisch zu lernen. Tandenmäßig helfen sie uns auch, den mickrigen Vietnamesisch Wortschatz aufzubessern. Meine Sprachkenntnisse reichen zum bestellen und verstehen von kleinen Gesprächen, doch von einer Konversation bin ich noch weit entfernt.

Hanoi an sich ist immer noch schön spannend, schön geschäftig und zur Zeit vor allem schön versmogt. Der Regen lässt seit Wochen auf sich warten und über allem liegt eine dicke Staubschicht. Wirklich weit gucken kann man nicht, da der Smog wie ein feiner oder zeitweise auch dicker Nebel alles blockiert. Aber mit über 23°C im November sind wir hier weit von Schnee und Weihnachten entfernt.

Die so viel versprechende Jubiläumsfeier war auch viel Vorbereitung und wenig Resultat. Die Stadt war eine Woche lang besonders voll, besonders laut und bunt, doch so richtige Feierlaune kam nicht auf. Natürlich gab es Paraden und Feuerwerk, Tanzperformance und Konzerte. Die Leuten waren sehr fröhlich und heiter, doch eben nur das. Alles sehr gesittet und von der Polizei kontrolliert. Es gab in dieser Zeit mehr Bardurchsuchungen und Straßensperren und Einsatz von Elektroschocker gegen „ordnungswidrige“ Mopedfahrer_innen. Auch die Katastrophe mit den explodierten Feuerwerkskörpern im Vorfeld und den ungenauen Angaben über die Opfer, kamen dem nicht zu gute. Am Geburtstag der Stadt war kaum etwas zu spüren, alles wie immer. Schade eigentlich.

Doch an sich haben wir unsere jeweiligen Lieblingsorte in der Stadt zum cà phê sữa (Kaffee mit süßer Kondensmilch) oder trà chanh (Lemontea) trinken oder abends ausgehen gefunden. Sprich: alles in allem leben wir ganz gut.

Wir haben sogar Haustiere – wenn auch eher ungewollte. Die Mäuse und Ratten haben sich inzwischen in unserem Haus gezeigt, flitzen die Treppen und Wände hoch, fallen sie wieder runter, ertränken sich in der Toilette oder fallen vom Küchenschrank fast in die Pfanne. So leben wir mit ihnen unter einem Dach. Auch wenn wir ab und an kein Wasser haben und gestern auch keinen Strom, und das Haus ziemlich außerhalb liegt, ist es ein sehr schönes Wohnen mit netten Vermieter_innen.

Fazit nach über zwei Monaten: Es ist gefällt mir sehr, auch mit mehr oder weniger großen Schönheitsfehlern. Aber wo ist oder läuft denn schon alles perfekt?

 

PS: An alle, die sehnlichst auf Post warten: Es tut mir Leid, ich bin bisher zu schreibfaul gewesen und ich hoffe, ihr verzieht mir dies.
Und neue Bilder gibt es auch auf flickr zu sehen

Noch nicht richtig angekommen, aber schon da – die ersten Wochen weltwärts in Vietnam.

27/09/2010

Leben in Hanoi, Teil 1

Nach einem recht annehmbaren Flug von Frankfurt (Main) über Bangkok sind wir drei Freiwilligen im weltwärts Jahr 2010/11 am 07.09.10 früh in Hanoi gelandet. Seit nun mehr drei Wochen leben wir in Vietnam – und diese Zeit hielt schon einige Überraschungen für uns bereit.

Der erste Schock war das Wetter. Angekommen aus dem kalten Deutschland, traf uns der vietnamesische Herbst in aller Stärke mit 33° C und mehr. Da blieb uns erstmal nichts anderes übrig als schwitzen. Auch wenn jetzt langsam die Gewöhnung an die Temperaturen einsetzt, ist es für mich kaum vorstellbar, dass es andernorts kalt sein kann.

Unsere Partnerorganisation vor Ort ist das Vietnamese Youth Center for Tourisim (VYCT), Zentrums für Jugendtouristik von Vietnams Zentraljugendverband. Nach ein paar Tagen Zeit zum Einleben, lernen wir nun dort seit über zwei Wochen Vietnamesisch. Doch leider lassen die gewünschten Erfolge bisher noch auf sich warten. Zwar ist die Grammatik der Sprache recht leicht, jedoch gibt es gefühlte 100 unterschiedliche Töne, so dass ein Wort je nach Aussprache mehrere Bedeutungen hat. Erleichtert das Vokabel lernen auch nicht gerade.

Mit den wenigen Sätzen und Floskeln kann ich mir aber schon vegetarisches Essen bestellen oder besser gesagt, vermitteln, dass ich es ohne Fleisch haben möchte. Denn jeder Besuch einer kleinen Garküche an der Straße eine mittlere Überraschung. Zwar ist es schwierig etwas Vegetarisches zu finden, doch was es gibt, ist sehr gut. Das fängt bei gebratenem Reis (cơm rang) an, geht über verschiedenste Arten von Brühen und Suppen, bis zu Baguette mit Ei. Und nach einem bisschen Übung klappt auch die Nahrungsaufnahme mit Stäbchen. Leide gibt es keinen Käse (oder wenn, dann ist der nur sehr teuer zu erwerben), dafür kann ich meiner Leidenschaft für das süße Gebäck voll und ganz nachkommen: Es gibt unzählige Konditoreien mit einer Vielzahl an Schokokuchen, süßem Brot und Puddingschnecken. Bei jedem Besuch in der Innenstadt entdecke ich noch einen kleinen Laden, der mit den leckersten Verführungen lockt.

Woran sich die Geschmacksknospen in Sachen Verzehr gewöhnt haben, müssen sich die Augen beim Essen gehen noch anpassen. Hier wird geschmatzt, geschlürft, gerotzt und anschließend der ganze Müll einfach unter den Tisch geworfen. Ein hoch auf die unzähligen Müllfrauen und -männer, die den ganzen Abfall des nachts wieder einkehren (natürlich mit Besen und selbst geschobener Abfallwanne).

Genauso musste ich mich auch auf Smog einrichten, der durch die vielen Motorräder verursacht wird, die die Stadt beherrschen. Da haben selbst die Busse Probleme durch zu kommen. Auch wenn sie ständig überfüllt, Sitzplätze selten sind und man jede Zeit damit rechnet, dass gleich der Bus dank Altersschwäche nicht mehr weiter kann, ist dies hier die billigste Fortbewegungsmethode (oder gerade deshalb). Doch seit heute bin ich ganz umweltfreundlich, dafür weniger sicher, mit einem Fahrrad und Mundschutz unterwegs – und die erste Fahrt auch gleich ganz vietnamesisch mit Lisa auf dem Gepäckträger gemeistert. Es bleibt spannend, wie lange ich mich da Unfallfrei auf den Straßen halte.

Denn auch ohne den Verkehr ist in Hanoi gerade einiges los: Überall wird die Stadt für das große Jubiläum am 10.10.10 geschmückt und heraus geputzt. Betrachtet man allein die unzähligen Lichtinstallation um den Hoàn Kiếm See, um den sich das Stadtzentrum ausbreitet, kann man schon sehr auf die 1000-Jahr-Feier gespannt sein. Ein Fest haben wir schon miterlebt: Das Mitherbstfest für Kinder oder Tet Trung Thu, auch Mondfest genannt. Bei der Veranstaltung des VYCTs konnten wir zwischen den vielen singenden und tanzenden Kindern auch einen traditionellen Drachentanz erleben und einen eigenen gesanglichen Beitrag leisten mit „Bốn phương trời“, dem Lied für den vietnamesischen Sozialismus.

Die vielleicht größte Überraschung erlebten mit der Nachricht, dass wir nach knapp einer Woche im Hotel schon in unser Haus einziehen konnten. Kaum waren die alten Freiwilligen abgereist, bezogen wir das Quartier, welches an sich sehr geräumig ist. Beim letzten Regen hat es zwar ein bisschen reingetropft, dafür vermissen wir ab und an das Wasser aus der Leitung, doch die angekündigten Mäuse haben sich noch nicht blicken lassen.

Wir sind gespannt, was noch auf uns zukommen wird…